Wie reagiert man in Südosteuropa auf den Kaukasus-Konflikt?
In Kroatien hat die Entwicklung im Südkaukasus, der rasche russische Vormarsch nach Georgien, in der Öffentlichkeit für wenig Aufregung gesorgt. Viele Kroaten genießen derzeit ihren Urlaub an der Adria und haben andere Dinge im Kopf. Zwar lässt die Krise viele an die Balkankonflikte der vergangenen Jahre denken, aber an einen Rückfall in die Zeiten des Kalten Kriegs oder einen heißen Konflikt mag kaum jemand denken.
Obwohl Kroatien ein EU- und NATO-Beitrittskandidat und seit Januar 2008 auch Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist, haben sich seine Politiker zuletzt mehr wie Beobachter verhalten und nicht versucht, innerhalb dieser Institutionen eine aktive Rolle zu spielen. Im Anschluss an das NATO-Treffen, das am 19. August 2008 in Brüssel stattfand, erklärte der kroatische Außenminister Gordan Jandroković, sein Land unterstütze die Position der atlantischen Allianz, sei ebenfalls für einen raschen Rückzug der russischen Truppen und eine baldige Mitgliedschaft Georgiens in der NATO. Vorsichtiger äußerte sich der Präsident Kroatiens, Stjepan Mesić. Er forderte eine nachhaltige politische Lösung der Krise, hielt sich, was einen NATO-Beitritt Georgiens angeht, aber bedeckt. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Centre for Peace Studies in Zagreb treten für eine eher neutrale Vermittlerrolle Kroatiens ein – speziell innerhalb des UN-Sicherheitsrats.
Zurück zur Blockfreiheit?
Angesichts des Konflikts im Kaukasus sind zwischen Regierung und Präsident deutliche Spannungen zutage getreten. Während sich die Regierung eindeutig auf Seiten der NATO und gegen Russland stellt, will Präsident Mesić die Kontakte Kroatiens zu Russland vertiefen – womit er sich auf eine Position, ähnlich der Blockfreiheit wie Tito sie in den 1970ern vertrat, zuzubewegen scheint. Mesić will, dass Kroatien zu einer politischen Lösung des Konflikts beiträgt – als Mittler. Verständlich wird seine Position, wenn man bedenkt, dass er entschieden für russische Energieprojekte in der Region eintritt. 2007 nahm auf seine Einladung hin Wladimir Putin an einem Energiegipfel in Zagreb teil und versprach dort eine Gas-Pipeline für die Region sowie Hilfe Russlands bei der Energieversorgung.
Der Schwede Peter Semneby, ehemaliger OSZE-Gesandter in Kroatien und nun Sonderbeauftragter der EU für den Südkaukasus, erklärte in einem Interview mit der Tageszeitung Novi list, die friedliche Wiedereingliederung Ost-Slawoniens nach Kroatien könne als gelungenes Beispiel dafür gelten, wie sich die Beziehung zwischen Georgien, Abchasien und Süd-Ossetien regeln lassen. Inoslav Bešker, ein bekannter Kolumnist, sagte andererseits, der aktuelle Konflikt könne ein wohlvorbereiteter Schritt dafür sein, neue Einflusssphären zwischen einem neuerlich selbstbewussten Russland und der EU abzustecken. Trat einst, beispielsweise im Kosovo, Russland für Internationales Recht ein, so verletze es nun eben diese Prinzipien im Kaukasus. Manche Stimme gehen sogar davon aus, politische Randgebiete wie Balkan und Kaukasus könnten zum Terrain für Stellvertreterkriege zwischen den USA und Russland werden.
Die lange Pipeline aus dem Osten
Zwei Aspekte lohnt es sich genauer zu erörtern. Zum einen hat Russland in den vergangenen Jahren auf dem Balkan wieder an Einfluss gewonnen – nicht zuletzt als Energielieferant. Viele Staaten des westlichen Balkans sind nicht nur stark abhängig von russischem Gas und Öl, sie sind auch potentielle Transitländer für russische Energielieferungen in die EU. Zwar wurde der Bau der Druschba-Adria-Pipeline durch Kroatien nicht zuletzt aus ökologischen Erwägungen vorerst gestoppt. Das bedeutet jedoch nicht das Ende der russischen Pläne zu einer Energieexpansion auf dem Balkan.
Zum anderen sieht Russland in der Anerkennung des Kosovo einen Sieg des Westens – was zu weiteren Krisen in der Region führen und die Demokratisierung beeinträchtigen könnte. Denkbar ist, dass Russland versuchen wird in Bosnien-Herzegowina seinen Einfluss auf die Republika Srpska auszubauen, um so dem Westen Kontra zu bieten.
Russland und die Republika Srpska
Sowohl der Balkan als auch der Kaukasus scheinen Mäuse in einem Gerangel zwischen Elefanten zu sein. Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, könnte es in beiden Regionen zu Sicherheitsproblemen kommen. Ein solches Szenario würde zwangsläufig anti-demokratischen Kräfte stärken und beide Regionen destabilisieren. Aus der Sicht des Balkans muss hier sofort und entscheiden gegengesteuert werden – insbesondere durch eine klare EU-Außen- und Sicherheitspolitik.
Vedran Horvat ist Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Kroatien.